Lieber Finanzminister – jetzt reichts!

Kann ruhig jeder wissen, dass mir gerade der Kragen platzt wg. Griechenland. Dies habe ich gerade unserem Finanzminister gemailt:

Sehr geehrter Herr Dr. Schäuble,

Mit Wut und Enttäuschung nehme ich Ihre Entscheidung zur Kenntnis, Spekulanten, Abzocker und Betrüger mit Milliarden aus unseren Steuern zu subventionieren.

Kohls Versprechen, die neue Währung stabil zu halten ist offensichtlich ebenso wenig wert wie das Papier, auf dem der Vertrag von Maastricht gedruckt ist. Der Domino-Logik, mit der Sie die Politik der Bundesregierung verteidigen, kann ich nicht folgen. Statt dem Schrecken ein Ende zu bereiten haben Sie die Grundlage gelegt für einen Schrecken ohne Ende.

Dass dies gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der Deutschen geschieht, werden Sie ebenso wenig bestreiten können, wie dass der Euro gegen unseren Willen eingeführt wurde.

Mein Verständnis von Demokratie ist ein anderes und ich hätte mir gewünscht, als Ehrlicher nicht erneut der Dumme sein zu müssen, der die Rechnung zahlt.

Die logische Konsequenz kann nur sein, dass ich mein Verhalten ändere, Kredite aufnehme und künftig ebenfalls wild spekuliere, statt zu arbeiten. Die nunmehr garantierten Spekulationsgewinne haue ich auf den Kopf.

Und falls wider erwarten doch etwas schief geht, kann ich mich ja offensichtlich auf Ihre Mithilfe verlassen, damit solide wirtschaftende Menschen und Unternehmen den Schaden begleichen müssen.

Schade eigentlich. Als Sie seinerzeit Kohl beerben wollten, hatte ich tatsächlich geglaubt, Sie könnten es besser.

Auch in diesem Sinne wünscht Ihnen eine gute Besserung

Michael Simm

Alle mögen Deutschland

Na das ist ja ´mal wieder eine Überraschung, die ich einer Umfrage der BBC entnehme: Unter den weltweit in 28 Ländern befragten 29000 Erwachsenen glauben 59 Prozent, dass Deutschland einen „hauptsächlich positiven“ Einfluss in der Welt hat . Und damit sind wir Spitzenreiter, noch weit vor Japan mit 53 Prozent, Großbritannien mit 52 Prozent, Kanada (51%) und Frankreich (49%).

Nur 14 Prozent sagten, unser Einfluß sei „hauptsächlich negativ“, wobei wir die mit Abstand schlechteste Bewertung (33%) in der Türkei bekamen. Zum Glück tauchen Polen, Holland, die Schweiz und Liechtenstein in dieser Statistik nicht auf – ich schätze, die hätten uns so richtig eins auf den Deckel gegeben 😉

Die interessante Lektüre gibt´s hier als pdf zum herunter laden. Sie zeigt auch: Einer der großen Gewinner sind die USA mit ihrem neu gewählten Präsident Barack Obama. Nach Jahren der weltweiten Ablehnung wurden die Vereinigten Staaten erstmals seit Beginn der Umfragen im Jahr 2005 als mehrheitlich positiv wahrgenommen. Um 21 Prozent-Punkte kletterte das Image der Amis bei uns (aber die Mehrheit hierzulande sieht deren Einfluss immer noch als vorwiegend negativ).

Und die Looser sind? China und der Iran. Erstere stürzten von anfänglich noch 49 Prozent Zustimmung auf derzeit 34 Prozent und letztere dümpeln unverändert bei 15 Prozent Zustimmung und 56 Prozent Ablehnung vor sich hin.

Heute dazugelernt: Europa Top in Lebensqualität

Wer hat´s erfunden, die Lebensqualität? Die Europäer und, ja, natürlich vor allem die Schweizer! Dies ist zumindest das Ergebnis einer Erhebung der Beratungsfirma Mercer Consulting, die Städte in 215 Ländern bewertet hat. An erster Stelle lag zwar Wien, doch auf Platz bereits der Vorjahressieger Zürich, gefolgt von einer weiteren Schweizer Großstadt, Genf. Die Hauptstadt der Eidgenosen, Bern, belegte Platz 9.

Aus insgesamt 38 Bestandteilen setzt sich der Mercer-Lebensqualitätsindex zusammen, darunter die Sicherheit und politische Stabilität, Bildung und Kaufkraft, aber auch der Zustand der Umwelt und das kulturelle Angebot bis hin zur Verfügbarkeit von Internetdiensten. Als Referenz dient New York mit einem Punktwert von 100. Demgegenüber kam Wien auf 108,6 Punkte und das Schlusslicht – Bagdad – auf 14,4.

In Deutschland ist demnach Düsseldorf die lebenswerteste Stadt. Zwar fällt es mir schwer, dies zu glauben, aber mit 107,2 Punkten belegen die Rheinländer Platz 6 auf der Hitliste und schlagen damit sogar München (107,0 Punkte, Platz 7). Direkt danach folgt Frankfurt (106,8, Platz 8 ) und spätestens jetzt wird mir klar, dass dies womöglich eine verkappte Rangliste für Investmentbanker sein könnte – und natürlich auch eine PR-Maßnahme, die der Firma Mercer Consulting neue Kunden zuführen soll. Andererseits: Berlin landet auf Platz 16, Nürnberg auf 23 und Hamburg erst auf Rang 28. Punkten konnte Deutschland vor allem mit seiner Infrastruktur, die laut Mercer „eine der besten der Welt“ ist. Hmm. Anscheinend ist keiner der Tester hier im Winter mit der Bahn gefahren oder wegen eines Pilotenstreiks festgesteckt.

Erstaunlich für mich: Die höchstplazierten US-amerikanischen Städte sind Honolulu (29) und San Francisco (30). Vielleicht liegt das ja daran, dass es auf Hawaii kein (ordentliches) Bier gibt und in San Francisco keine Hippies mehr? Wenn schon Nordamerika, dann Kanada, das mit Vancouver Platz vier belegt (Punktgleich mit Auckland, Neuseeland). Mit Toronto auf Platz 15, Ottawa Platz 16, Montreal Platz 22 und Calgary Platz 26 schlagen die Kanadier ihre Nachbarn um Längen.

Versucht man eine Art Kontinentalwertung, so liegt Europa klar vorne. Natürlich nicht wegen, sondern trotz der EU-Politik. Außer der Schweiz, Österreich und Deutschland tragen die Benelux-Staaten und die skandinavischen Länder wieder einmal erheblich zur guten Bilanz der Europäer bei: Kopenhagen kam auf Platz 11, Amsterdam 13, Brüssel 14, Luxemburg 19, Stockholm 20, Oslo 24. Dublin wurde 25. und London ist weltweit nur die Nummer 38. Ätsch.

Im Asiatisch-Pazifischen Raum dominieren Australien und Neuseeland. Unter den Asiaten vorne liegt Singapur auf Rang 26 weit abgeschlagen dagegen die Chinesen. Selbst Peking konnte sich trotz der Olmypiade lediglich vom 116. auf den 113. Rang verbessern.

Wie im Vorjahr hat es auch dieses Jahr keine einzige Stadt im mittleren Osten oder in Afrika unter die ersten 50 geschafft.

Google beendet die Selbstzensur in China

Darf ich es wirklich glauben? Der „böse Datenkrake“ Google hat sich dem Unrechtsregime in Peking nicht gebeugt und den chinesischen Zensoren und Antidemokraten sogar einen kräftigen Tritt vors Schienbein verpasst. Statt die Suchergebnisse ihrer Tochte google.cn zu filtern, wie von den chinesischen Machthabern gefordert, werden die Nutzer nun umgeleitet zur Domäne google.com.hk. Deren Server stehen in Honkong, was zwar offiziell ebenfalls zu China gehört. Aufgrund seines Sonderstatus als ehemalige britische Kolonie besitzt Honkong jedoch seit 1997 eine „gewisse Autonomie“, die wohl auch einen Verzicht auf bestimmte Zensurmaßnahmen beinhaltet, lerne ich aus einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Die Umleitung der google.cn-Besucher nach Honkong sei „völlig legal“, sagte der oberste Rechtsbeauftrage von Google, David Drummond. Der Winkelzug werde auf bedeutsame Art den Zugang der Chinesen zu Informationen verbessern, so Drummond gemäß einem Bericht der BBC.

Noch werden die Suchergebnisse aus Honkong nicht gefiltert, doch würde es mich nicht wundern, wenn auch dieses Fenster zur Freiheit bald geschlossen würde. In der Zwischenzeit schäumen die Vertreter des Regimes in Peking und lassen über ihre Staatsorgane verbreiten, Google habe „ein schriftliches Versprechen gebrochen“. Kein Wort verliert die Agentur Xinhua dagegen über den offensichtlich von offiziellen Stellen unterstützen Angriff chinesischer Hacker auf Google und über 20 weitere Firmen, bei dem man kürzlich versucht hatte, an die Namen von Regimekritikern heran zu kommen.

Dass eine der mächtigsten Firmen der Welt nun ein klares Signal sendet, und sich den Zensoren nicht länger beugen will, ja dass Google sogar mit dem Rückzug aus der Volksrepublik China droht, finde ich vorbildlich. Peking unterhält eines der ausgefeiltesten und weitreichendsten Zensursysteme der Welt, bekräftigt der Bericht der BBC. Tausende von Polizisten sind dort damit beschäftigt, den Internetverkehrt abzuhören, außerdem überwachen automatisierte Systeme Blogs, Chaträume und andere Quellen, um sicher zu stellen dass verbotene Themen wie das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989 nicht diskuttiert werden.

An Google mag man Vieles kritisieren. Ich jedenfalls freue mich über dieses Zeichen des Protestes. Ich freue mich, dass wenigstens diese Firma nicht bereit scheint, Menschenrechte im Namen der Marktwirtschaft zu opfern und ich sage: Hut ab vor Google.

Heute dazugelernt: Zahlen für Griechenland

Ich mag sie sehr, die Griechen. Aber in letzter Zeit strapazieren sie meine Geduld doch ziemlich. Erst frisieren sie ihre Haushaltsbilanz mit Hilfe der Investment-Banker von Goldmann-Sachs, erschleichen sich derart den Zugang zur Euro-Zone, und verlangen jetzt auch noch frech, dass wir deren Schulden finanzieren. Und die Bundesregierung? Die bereitet sich auf eine „Rettungsaktion“ vor, entnehme ich der Badischen Zeitung. Mir bestätigt dies einmal mehr, dass Deutschland der Zahldepp in der EU ist und der ganze Laden ohne unsere Steuern wie ein Kartenhaus in sich zusammen fallen würde.

Auch nicht mehr das, was sie ´mal war: Die Akropolis
Auch nicht mehr das, was sie ´mal war: Die Akropolis

Ebenfalls in der Badischen Zeitung fand ich übrigens eine Statistik der Deutschen Bundesbank zur Veränderung der Löhne seit 1999: Sie sind bei uns in elf Jahren um ganze 4 Prozent gestiegen. Im Euro-Raum waren es dagegen satte 22 Prozent und in Griechenland? 38 Prozent!

Heute dazugelernt: Hartz IV

Immer schön am Ball bleiben, habe ich mir gedacht und führe heute eine neue Rubrik für mein Blog ein: Unter „Heute dazugelernt“ will ich meine Leser in Zukunft teilhaben lassen an mehr oder weniger neuen Dingen, die mir bemerkenswert erscheinen. Zumeist handelt es sich Neuigkeiten, die ich bei meiner alltäglichen Informationsbeschaffung gelesen, gehört oder gesehen habe. Alles soll möglichst kurz abgehandelt werden und auch meine Quellen gebe ich an, damit Sie wissen, wo´s herkommt. Und los geht´s:

(Badische Zeitung, Thema des Tages) 6,7 Millionen Menschen in Deutschland kriegen Hartz IV, nämlich 2,2 Millionen Langzeitarbeitslose und deren Familien. Momentan bekommen Erwachsene 359 Euro im Monat und Kinder zwischen 215 und 287 Euro. Außerdem gibt´s Zuschüsse für Miete und Heizung. Derzeit kostet diese Art der Stütze den Staat (also uns) 45 Milliarden Euro jährlich. Was ich nicht wusste: Berechnet wird die Höhe des Zuschussen danach, was die ärmsten 20 Prozent der Single-Haushalte verbrauchen, die kein Hartz IV kriegen. Rony Gert Bürckholdt fasst das Problem elegant zusammen und erklärt, warum niemals alle mit den Harzt IV-Sätzen zufrieden sein werden. Dafür müssten nämlich zwei Ziele erfüllt sein, die sich gegenseitig wiedersprechen: Die Sozialverbände wollen eine möglichst hohe „Grundsicherung“ für die Betroffenen. Vertreter der freien Marktwirtschaft und Arbeitsmarktexperten sind jedoch dagegen, dass nicht arbeitende Hartz IV-Empfänger mehr Geld bekommen als Vollzeitbeschäftigte. Bürckholdt spricht vornehm vom „Problem des Arbeitsanreizes“. Es besteht darin, dass es sich für einen Langzeitarbeitslosen erst dann lohnt, eine Vollzeitstelle anzutreten, wenn er damit mehr verdient, als seiner Familie an Hartz IV zusteht – „und dieser Mehrverdienst auch die geringere Freizeit aufwiegt“. Bei Familien mit Kindern liegt die Schwelle bei durchschnittlich 1800 Euro monatlich. Das Institut für Weltwirtschaft Kiel hat zu diesem Problem eine Studie mit dem Titel „Die Hartz-IV-Falle“ veröffentlicht und schlägt unter anderem mehr Kindergeld und Fortbildungsmaßnahmen vor.

Meine Lösung würde anders aussehen: Belohnt Arbeit wieder, indem bundesweit ein Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde eingeführt wird. Jeder, der 40 Stunden die Woche buckelt, könnte dann nicht nur seine Grundbedürfnisse decken (Essen, Kleidung, Wohnung) sondern auch noch genug übrig behalten, um sich ein paar Wünsche zu erfüllen und etwas zur Seite zu legen. Anschließend bitte das gesamte Hartz IV-System entsorgen und durch eine angemessene – von mir aus gerne bedingungslose – Pro-Kopf-Pauschale ersetzen, mit der Grundbedürfnisse (s.o.) bezahlt werden können. Übrigens: Mehr zur Hartz-IV-Debatte bietet diese Sonderseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Dort konnte ich unter anderem Nachlesen, wie groß der Anteil der Hartz-IV-Empfänger in den verschiedenen Bundesländern ist. In Berlin ist dies laut FAZ jeder Sechste (!), bei uns in Baden-Württemberg aber nur jeder 20te. Gruß an die Hauptstadt: Diese Art der Umverteilung stinkt mir gewaltig. Zahlen für das Jahr 2006 finden Sie übrigens in dieser Grafik des Statistischen Bundesamtes, und dort gibt´s auch die Pressemitteilung Soziale Mindestsicherung in Deutschland.

Erfreulich war heute für mich das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu Hartz IV. Meine Interpretation: Die größte Sozialreform, die es in Deutschland je gegeben hat, ist unrechtmäßig ist, weil die Grundlage der Berechnung willkürlich, undurchsichtig und damit ungerecht ist. Das muss nun bis Ende des Jahres geändert werden und wird sich voraussichtlich in mehr Geld für die Kinder niederschlagen. Hauptsächlich aber bestärkt mich dieses Urteil in dem Glauben, dass die Macher und Umsetzer der Hartz-Reformen, also die Regierungen seit Gerhard Schröder, Murks gemacht haben. Das Bundesverfassungsgericht hat die Voraussetzung geschaffen, diesen Murks zu beseitigen und durch gerechtere Gesetze zu ersetzen.Was geschehen muss, bringt Holger Stelzner in einem Kommentar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung auf den Punkt: „Die Regierung steht vor der Herausforderung, den Sozialstaat zu beschränken, um ihn zu beschützen. Sie muss den Teufelskreis an der Stelle durchbrechen, wo staatliche Fürsorge den Anreiz zu Eigenverantwortung erstickt. Das deutsche Transfersystem muss nicht weiter ausgebaut, sondern grundsätzlich umgebaut werden, um den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft zu erhalten.“

Wenn ich mir allerdings die Reaktionen der Politnasen anschaue (z.B. beim Staatssender ARD), dann kann ich an solch eine Änderung nicht mehr glauben, als an den Weihnachtsmann.

Buchtipp: Von der Schönheit des Guten

Etwa 80000 neue Bücher erscheinen jedes Jahr in Deutschland – und die meisten davon braucht kein Mensch. Ich denke, dies ist ein guter Grund, auf einen Klassiker hinzuweisen: Die  „Gedankensammlung“ des 1882 verstorbenen Amerikaners Ralph Waldo Emerson, die unter dem Titel „Von der Schönheit des Guten“ erschienen ist. Wahrscheinlich hätte der Autor schon wegen seines „komischen“ Namens keine Chance, sich heute Gehör zu verschaffen. Niemand würde den ehemaligen Wanderprediger in eine Talkshow einladen. Unter den Marktschreiern und Eso-Päpsten unserer Zeit würde der Non-Konformist eingehen wie eine Primel.

Ralph Waldo Emerson: "Wer ein Mensch sein will, der muss Nonkonformist sein"
Ralph Waldo Emerson: "Wer ein Mensch sein will, der muss Nonkonformist sein"

Emerson hat nie die große Bühne der Welt betreten, sein Leben hatte nichts Romanhaftes und nichts Romatisches, warnt sein Biograph Egon Friedell bereits im Vorwort des schmalen Bandes. „Die Grundeigenschaft, die Emerson als Mensch wie als Schriftsteller in gleichem Maße kennzeichnete, war eine ungeheure Selbstverständlichkeit, zu der alle aufregenden, auffallenden und überraschenden Züge nicht passen wollen“, schreibt Friedell. Emersons Leben sei im Gegensatz zu dem der meisten Menschen frei gewesen von Sprüngen, Rissen, unorganischen Beimengungen und Gewolltheiten, erfahren wir.  Und dass er seine natürlichen Lebensbedingungen begierig aufgesucht habe, statt wie der Rest danach zu streben, sie willkürlich zu verändern. „Sein Leben floß mit der einfachen und ausgeglichenen Richtkraft eines Stromes dahin, der sich selbst sein Bett gräbt und durch die natürlichen Fallgesetze seinen Lauf bestimmt.“

Mich hat der 1882 verstorbene Emerson denn auch nicht mit seinen Taten beeindruckt, sondern mit seinen Gedanken, die kurzen Tagebuchnotizen entstammen und die mitunter als die „intellektuelle Unabhängigkeitserklärung Amerikas“ gepriesen werden. Dabei ist die lockere Form der Darstellung stark beeinflusst von einem anderen Querdenker, dem „Erfinder“ des Essays, Michel de Montaigne.

Wie Montaigne hat auch Emerson seine Gedanken bestimmten Themen zugeordnet. So schreibt er über Kunst und Kultur, Natur und Gesellschaft, Arbeit und Wohlstand, Liebe und Schönheit,  Erfahrung und Erfolg, Freundschaft und Schicksal. Er denkt nach über Intellekt und Illusion, über Mut und Selbstständigkeit, über Frömmigkeit oder das Alter. Und er verrät uns seine Meinung über berühmte Zeitgenossen wie Goethe und Napoleon, ebenso wie über verstorbene „große Männer“, von Plato über Shakespeare bis zu Montaigne.

Nicht jede Meinung Emersons muss man teilen. Und mehr noch als die antiquierte Sprache verhindert die enorme Dichte der Ideen die schnelle Lektüre an einem verregneten Sonntag-Nachmittag. Doch wer bereit ist, diese kleinen Hürden zu überspringen, wird dafür mit jeder Menge tiefer Einsichten und Inspirationen belohnt. Meine Ausgabe des Buches habe ich mit zahlreichen Markierungen und Randnotizen versehen. „Von der Schönheit des Guten“ ist ein Buch zum Mitdenken und es zählt sicher zu den wenigen Werken, die mir das Gefühl geben: Einmal lesen ist nicht genug.

Gut möglich auch, dass Überlegungen, die mir wenig einleuchtend erschienen, anderen Lesern umso mehr Gewinn bringen (oder dass sie die eine oder andere Passage verstehen, die mir zu hoch erschien…). Warum ich „Von der Schönheit des Guten“ zu meinen Lieblingsbüchern zähle, wird hoffentlich durch die folgenden Zitate klar. Sie sind eine kleine Auswahl jener Passagen, die ich mir dick angestrichen habe. Und wer darin nichts Besonders finden kann, mag getrost auf die Lektüre verzichten.

Der Schöpfer des guten Buches ist der gute Leser. Ein guter Kopf wird nichts nutzlos lesen: in jedem Buche findet er vertrauliche Mitteilungen und Seitenbemerkungen, die allen anderen verborgen bleiben und die zweifellos nur für sein Ohr bestimmt sind…

Jedes Schiff ist ein romantischer Gegenstand, solange wir nicht darin sitzen. Steige hinein, und die Romantik flieht dein Fahrzeug und hängt sich an das Segel des nächsten Schiffes. Unser Leben erscheint uns trivial, und wir scheuen die Erinnerung daran. Der Mensch scheint vom Horizont gelernt zu haben, der auch die Kunst besitzt, immer zurückzuweichen und sich immer auf andere zu beziehen.

Es ist eine Täuschung, wenn man glaubt, daß die gegenwärtige Stunde nicht die kritische, die entscheidende Stunde sei. Schreibe es in dein Herz, daß jeder Tag der beste Tag des Jahres ist. Niemand hat vom Leben etwas ordentliches gelernt, solange er nicht weiß, daß jeder Tag Gerichtstag ist… Der allein ist reich, dem der Tag gehört.

… es gibt keinen Menschen, der nicht seinen Lastern zu Dank verpflichtet wäre, wie es keine Pflanze gibt, die sich nicht von Dünger nährte. Wir wollen nur eines: daß der Mensch sich veredle, und daß die Pflanze wachse und den Mist in schöne Blüten verwandle.

Der Verstand kann sich gerade so wenig selbsttätig entleeren, wie es eine Holzkiste kann. Der Wunsch, uns beim Sprechen den Bedürfnissen eines anderen anzupassen, kürt unseren eigenen Geist. Eine bestimmte Wahrheit hat von uns Besitz ergriffen und ringt mit allen möglichen Mitteln danach, sich zum Ausdruck zu bringen. Jedesmal, wenn wir etwas gesprächsweise von uns geben, vollbringen wir eine mechanische Arbeit, indem wir es leicht und handlich weiterbefördern. Ich schätze die mechanischen Leistungen des Gesprächs. Ein Gespräch ist Flaschenzug, Hebel und Schraube.

Andere Gedanken erschienen mir zunächst als Binsenwahrheiten, deren Tiefe sich erst bei einem kurzen Innehalten offenbarte. Ein Beispiel:

Alles Gute liegt auf der goldenen Mittelstraße. Die mittleren Regionen unseres Lebens sind die gemäßigten Zonen. Wir können in die dünne und kalte Luft der reinen Geometrie und der leblosen Wissenschaft klettern, und wir können in die Welt der Sinne herabsinken. Zwischen diesen beiden Extremen liegt der Äquator des Lebens, des Gedankens, des Geistes, der Poesie – ein schmaler Gürtel.

Als gelernter Naturwissenschaftler, Skeptiker und bekennender Gegner jeder Art von Eso-Quatsch, hat mir der folgende Ausspruch gut gefallen:

Flache Menschen glauben an Glück, glauben an äußere Umstände: irgend ein Name war schuld, oder man hätte damals gerade woanders sein sollen, oder es  war damals so und an einem anderen Tag wäre es anders gewesen. Starke Menschen glauben an Ursache und Wirkung.

Jeder kennt sie. Die Nervensägen, Idioten und Blödmänner (im badischen heißen sie Dappschädel), die uns an den Rand des Wahnsinns treiben. Aber wer hätte schon jemals eine ähnlich tolle Beschreibung dieser Charaktere geliefert, wie Emerson?

Die Stupidität eines einzigen verdrehten Gehirns kann die besten Köpfe außer Rand und Band bringen, denn wir müssen ja mit seiner Albernheit kämpfen. Aber der Widerstand bringt den bösen Narren noch mehr in Saft, denn er glaubt, daß Natur und Schwerkraft völlig unrecht haben und nur er allein recht hat… Es ist wie in einem Boot, das zu kentern droht, oder in einem Wagen, an dem die Pferde scheu geworden sind: – nicht nur der verrückte Pilot oder Kutscher, sondern jeder Insasse ist gezwungen, die lächerlichsten und absonderlichsten Stellungen einzunehmen, um das Fahrzeug im Gleichgewicht zu halten und das Umstürzen zu verhindern. Wie sollten wir mit Leuten auskommen können, die nicht zu uns passen? Wenn wir mit ihnen zusammen bleiben, so ist der größte Teil unseres Lebens vergeudet, und unsere Erfahrung kann uns kaum etwas Besseres hierüber lehren, als unser erster Instinkt der Selbstverteidigung, nämlich: uns nicht mit ihnen einzulassen, uns in keiner Weise mit ihnen abzugeben, sondern ihrem Wahnsinn ruhig sein Lauf zu lassen.

Oder, aus aktuellem Anlaß:

… Wenn alle Menschen sich ausschließlich dem Bezahlen von Rechnungen widmen wollten, wäre das nicht eine Ungerechtigkeit? Hat man keine anderen Schulden als Geldschulden, und müssen alle übrigen Ansprüche hinter den Forderungen eines Wirtes oder eines Bankiers zurückstehen?

Bei gesunden wirtschaftlichen Verhältnissen fließt das Eigentum von selbst von den Faulen und Unfähigen zu dem Emsigen, Tapferen und Ausdauernden.

Solange unsere Zivilsation in der Hauptsache sich auf Eigentumsrechte, auf Einzäumungen und Absperrungen stützt, wird sie immer das Opfer von Enttäuschungen sein.

Nicht alles scheint mir frei von Widersprüchen, doch selbst die Selbstzweifel, die Emerson durchscheinen lässt, bereichern die Lektüre:

Obwohl diese ewige Geschwätzigkeit im Ratgeben uns angeboren ist, so muß ich dennoch gestehen, daß wir aus dem Leben mehr Verwunderung als Belehrung ziehen. Es greift soviel Schicksal, soviel unüberwindliche Macht des Temperamentes und unbekannter Eingebung in unser Leben ein, daß es zweifelhaft erscheint, ob wir aus unserer eigenen Erfahrung irgend etwas sagen können, womit einem anderen gedient ist…

Das hält den Dichter aber nicht davon ab, uns zu raten:

Hänge kein trauriges Bild an deine Wand und beflecke deine Reden nicht mit schwarzer Schwermut. Sei kein Zyniker und kein Prediger der Trostlosigkeit. Jammere und wehklage nicht. Lasse alle verneinenden Reden. Belebe uns durch unaufhörliches Bejahen. Erschöpfe  dich nicht in Kritteleien und kläffe nicht gegen das Schlechte, sondern erzähle uns von der Schönheit des Guten.

Das ist ein guter Ratschlag, finde ich. Und die gute Nachricht ist, dass man für das Taschenbuch keine zehn Euro ausgeben muss, zum Beispiel hier, bei meinem Werbepartner Amazon.

Über Wein – Versuch einer Verführung

Ok, ich gebe es zu. Ich hatte ´mal wieder einen Rückfall. Eigentlich wollte ich nämlich erst mal keine neuen Weine mehr kaufen. Wegen der miesen Geschäftslage, der stagnierenden Wirtschaft und weil mein Geld ja eigentlich gebraucht wird, um die Not leidenden Banken zu unterstützen. Aber dann habe ich mir gedacht: Wer weiß, ob es nächstes Jahr noch Wein zu kaufen gibt? Und außerdem: Das Leben ist zu kurz für schlechten Wein und billigen Whisky. Wahrscheinlich ist das Geld in einigen Kisten Großer Gewächse ohnehin besser angelegt als bei 0,5 Prozent Zinsen auf dem Festgeldkonto. Kurzum: Wenn es um Ausreden geht, Wein zu kaufen, fällt mir immer ´was ein.

Vorfreude auf einen tollen Jahrgang: Michel mit Spätburgunder 2003
Vorfreude auf einen tollen Jahrgang: Michel mit Spätburgunder 2003

Also habe ich mich wieder zu einer Einkaufstour hinreißen lassen von der neuesten Ausgabe des Gault-Millau WeinGuide Deutschland 2010 und von meinem Lieblings-Weinhändler Pinard de Picard. Während der knapp 900 Seiten starke Schmöker längst zur Bibel für Weinfreunde geworden ist, sind die Geschäftsführer von Pinard de Picard zu Hohepriestern des Genusses aufgestiegen. Mit ihren Lobgesängen auf edle Tropfen und eigensinnige Winzer sorgen Tino Seiwert, Martin Lehnen und Ralf Zimmermann bei mir für feuchte Augen und zerballern ein ums andere Mal meinen Vorsatz, erst dann wieder einzukaufen, wenn die Vorräte zu Neige gehen.

Hier eine kleine Kostprobe zum „Schloßböckelheimer Felsenberg“, einem Großen Gewächs von Tim Schäfer-Fröhlich, der wiederum von GaultMilleau gerade zum „Winzer des Jahres“ gekürt wurde.: „Bei aller inneren Dichte und Urgewalt halten eine gebirgsquellklare Frucht (zurzeit dominieren gelbe Steinfrüchte), eine – noch beißende –, salzige, irre Mineralität und eine kristalline Frische diesen famosen Riesling in einem unsichtbaren Gravitationsfeld fest wie die Sonne ihre Planeten. Das ist urwüchsige Kraft ohne Schwere, laserstrahlartig gebündelte Energie! Aber auch eine lustvolle Opulenz! Und welch kühle Frische, die zärtlich die Zunge ummantelt, eingebettet in eine cremige, saftige Textur…“ Auch ich liebe Rieslinge, aber so rede ich sonst nur von meiner Freundin 😉

Jedenfalls schien es mir wieder einmal höchste Zeit, Vorsorge zu treffen für die langen Winterabende und um meine Freunde nicht zu enttäuschen, die immer gerne zu Besuch kommen. Außerdem brauche ich Wein für die Kochabende mit meinen Männerfreunden, damit ich trotz meines mangelnden Talents am Herd dabei sein darf. Wein kann ein abendfüllendes Gesprächsthema sein. Weinproben erweitern den Horizont, sei es beim Winzer oder wie in meiner Wahlheimat Offenburg in Form von Seminaren an der Volkshochschule (!). Und wenn ich selbst eingeladen bin macht es mir immer wieder großen Spaß, das Weltbild jener Leute ins Wanken zu bringen, die ernsthaft versichern einen gaaannz tollen Wein bei Lidl entdeckt zu haben – für € 2,99! Klar gibt es auch in Supermärkten tolle Weine und manchmal auch richtig günstige Angebote. Aber wer den hiesigen Winzern auch nur gelegentlich bei der Arbeit zuschaut, und wer sich ein wenig mit der Kunst des Weinbaus beschäftigt hat, kann doch nicht ernsthaft erwarten, für eine ordentliche Flasche weniger zu zahlen, als für ein Kilo Trauben auf dem Wochenmarkt oder für eine Dose „Red Bull“ an der Tankstelle.

„Aber das ist ja alles sooo kompliziert“, höre ich immer wieder als Antwort auf meine Versuche, anderen die Liebe zum Rebensaft zu vermitteln. Doch man muss ja nicht aus allem eine Wissenschaft machen. Ein gleichermaßen schönes wie hilfreiches Buch für Einsteiger ist zum Beispiel der „Weinkurs“ von Fiona Beckett. Das reich bebilderte Werk hilft, „Ihren“ Wein zu finden. Ob Frische oder Reife, Frucht oder Holz den Gaumen mehr erfreuen, kann man meist schon vor dem Öffnen der ersten Flasche erahnen. Im zweiten Schritt nutzt Beckett dann als Orientierungshilfe den Aromakreis, der sehr anschaulich darstellt, welche Geschmäcker und Gerüche im Wein vorkommen können und welche für die verschiedenen Rebsorten typisch sind. Ob Zitrus oder Feuerstein, Pfeffer, Honig oder Dutzende anderer Aromen – es hilft enorm zu wissen, was einem da womöglich alles in die Nase steigt.

Warum Wein so schmeckt wie er schmeckt, erläutert Beckett ebenso einleuchtend wie Fragen zur Auswahl im Restaurant, wie man seine Tröpfchen optimal lagert und stilvoll serviert, oder welcher Wein zu welchem Essen passt. Auf ihrer – englischsprachigen – Webseite „Matching Food and Wine“ bietet die britische Gastrokritikerin auch Hilfe bei Zweifelsfällen wie z.B. indischen Speisen, wo andere per Google gefundene „Experten“ mit ihren Statements nur Verwirrung stiften (Grauburgunder wäre richtig gewesen – wer hätte das gedacht?).

Noch einen weiteren Verbündeten im Kampf für mehr guten Geschmack möchte ich empfehlen: Kurt Gibel mit seiner genialen Fibel „Weine degustieren, leicht und spielend„. Hier lernt man die Kunst der Weinverkostung statt mit grauer Theorie vor allem anhand sinnlicher Zeichnungen auf den ausklappbaren Buchdeckeln. Sie leiten an, der Reihe nach Eigenschaften wie Transparenz und Oberfläche, Farbe und Intensität sowie natürlich den ganzen Strauß von Aromen zu erkunden.  Auch wenn Sie gestern noch sprachlos ins Glas geschaut haben, werden Sie sich wundern, wie schnell man sich ein Urteil über Harmonie und Charakter eines Weines bilden kann. Und zu Weihnachten – das wäre meine Hoffnung – werden Sie dann selbst schon ein paar Flaschen auf den Tisch stellen, den Korken ziehen, das Glas füllen und seelig-besinnlich Ingwer-, Zimt- oder Muskatdüfte orten in dem körperreichen, aber harmonischen Roten der da den Gaumen umschmeichelt…

P.S.: Wer wissen will, was ich denn nun eigentlich eingekauft habe, und welche Weine und Winzer ich besonders empfehlen kann, muss sich noch ein wenig gedulden. Vorab und exklusiv habe ich darüber per Rundmail zunächst meine Freunde informiert, in der Hoffnung, dass auch die sich einige der feinen Tropfen in den Keller legen (und mir bei meinem nächsten Besuch servieren). Wäre ja auch zu blöd, wenn meine Predigt am Ende dazu führt, dass meine liebsten Winzer ausverkauft sind, bevor mein Eigenbedarf gedeckt ist 😉

Lammert macht die Leberwurst

Norbert Lammert, seines Zeichens Bundtagspräsident, ist beleidigt. Weil ARD und ZDF die Eröffnungssitzung des neuen Bundestages nicht live übertragen haben, hat er nicht nur das mangelnde Interesse der so genannten öffentlich-rechtlichen Sender beklagt, sondern auch gleich noch kräftig den Zaunpfahl geschwungen. Der Agentur ddp entnehme ich, das Lammert die Gebührenfinanzierung von ARD, ZDF und Co. „indirekt“ in Frage gestellt hat.

Die Gebührenzahlungen der Zuschauer sind nämlich ein „üppig dotiertes Privileg“, hat Lammert erkannt – und da bin ich ganz seiner Meinung. 200 Euro im Jahr zahle ich für den Mix aus dümmlicher Unterhaltung, nach Parteibuch gewichteten Kommentaren, Schleichwerbung, tendenziösem Pseudoinvestigativjournalismus, zerfledderter Bundesliga und dem gelegentlichen großartigen Dokumentarfilm, dessen Abspann ich entnehmen kann, dass er von der BBC produziert wurde. Bleibt eigentlich nur der Tatort, für den wir vereinigten Zwangsgebührenzahler dann jährlich an die sieben Milliarden Euro berappen müssen.

Doch Herr Lammert, dem offensichtlich entgangen ist, dass die Nichtwähler längst zur größten Partei im Lande geworden sind und dass kaum einer mehr zugucken mag, wenn „unsere“ Parlamentarier den Aufbruch in vier weitere Jahre voller Fehlentscheidungen, Ungerechtigkeiten und eigener Privilegien feiern, dieser Herr Lammert also, der will nicht etwa weniger, sondern mehr Staatsfernsehen. Und wenn die von der Politik ausgekungelten Senderchefs es wagen, Parlament oder Regierung zu kritisieren – dann nehmen wir denen einfach das Geld weg – so übersetze ich Lammerts Botschaft „ob und in welchem Umfang diese herausgehobene, privilegierte Position durch offenkundig alternative Programmangebote auch hinreichend gerechtfertigt ist. Und weiter (laut ddp): Er wünsche sich, dass seine Kritk an den öffentlich-rechtlichen ein Nachspiel mit den Intendanten haben werde, mit denen in der vergangenen Legislaturperiode die Vereinbarung bestanden habe, dass wichtige Ereignisse in Zukunft im Hauptprogramm übertragen werden“. Am heutigen Mittwoch haben die Ministerpräsidenten der Länder dann auf ihrer Jahreskonferenz unter anderem über die Rundfunk“gebühren“ beraten. Na so ein Zufall.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass die Party der Parlamentarier dreieinhalb Stunden lang auf Phoenix übertragen wurde? Kennen Sie nicht? Das ist ein weiterer Staatssender, den man aus unseren Gebühren finanziert, und wo jeder, dem das Politgemurkse nicht zum Halse heraus hängt, Lammert und Co. anschauen kann, solange er will. Das hat der ARD-Chefredakteur Thomas Bauman in einem Anflug von unabhängig-sein-wollen dem Herrn Lammert übigens auch gesagt (Das mit den 3,5 Stunden natürlich nur). Das ZDF hat dagegen gleich erkannt, woher der Wind weht und sofort bestätigt, Lammert werde in allen Nachrichtensendungen mit Ausschnitten aus seiner Bundestagsrede vertreten sein.

Und Lammert? Der hat die Nase gerümpft und gesagt: „Ich habe zur Kenntnis genommen, das die Chefredaktion (die konstituierende Sitzung des Deutschen Bundestages) nicht für ein wichtiges Ereignis hält und erkläre, ich bin dezidiert anderer Meinung.“ Ich weiß noch, wie wir früher im Kindergarten auf sowas  reagiert haben:

„Beleiiidigte Leberwurst, beleiidigte Leberwurst, beleidigte Leberwurst“.

Polen will Kinderschänder „kastrieren“

„Schwanz ab“ fordert manch einer am Stammtisch, wenn es um die gerechte Strafe für Kinderschänder und andere Sexualstraftäter geht. Ganz so drastisch sind die Maßnahmen nicht, die in unserem Nachbarland Polen nun Gesetz werden sollen. Mit der zwangsweisen chemischen Kastration, bei der Medikamente zur Dämpfung des Sexualtriebs verabreicht werden, hat das EU-Land dennoch einen Vorstoß gemacht, der hierzulande wohl undenkbar wäre.

Laut BBC-Berichten und einer Presseerklärung der polnischen Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk haben die Minister für Gesundheit und Justiz in der vergangenen Woche eine Gesetzesvorlage auf den Tisch gelegt, die im Parlament mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde. 400 Abgeordnete stimmten dafür, zwei enthielten sich der Stimme und nur einer votierte dagegen. Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, muss noch der polnische Senat zustimmen, was jedoch als Formsache gilt. Laut einer Umfrage der konservativen Tageszeitung „Dziennek“ sind 84 Prozent der Bevölkerung mit dem neuen Gesetz einverstanden.

Tritt es in Kraft, würden verurteilte Pädophile und Inzesttäter auch gegen ihren Willen einer so genannten chemischen Kastration unterzogen, bei der sie Medikamente schlucken müssen, die bestimmte Sexualhormone blockieren und damit den Trieb dämpfen. Voraussetzung ist allerdings, dass ein entsprechendes Gutachten eines Psychiaters oder Sexualforschers vorliegt. Von der Zwangsmaßnahme wären alle diejenigen betroffen, die Kinder unter 15 Jahren oder nahe Verwandte vergewaltigen. Gleichzeitig würde die bisherige Höchststrafe für die Vergewaltigung Minderjähriger von 12 auf 13 Jahre herauf gesetzt. Bereits der Versuch, die Pädophilie zu rechtfertigen, könnte mit zu zwei Jahren Gefängnis bestraft werden, ebenso wie Versuche, Kinder unter 15 Jahren durch das Internet zu verführen.

Wie der Spiegel online berichtet, sind viele EU-Politiker von dem Vorgehen der Polen „entsetzt“.  Allerdings fehle der EU die rechtliche Grundlage, um das „brachiale Gesetz“ zu verhindern. Was Viele nicht wissen: Auch in Deutschland, Schweden, Großbritannien, Dänemark und der Schweiz ist die „Kastration“ von Sexualstraftätern unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Diese sind hierzulande im Gesetz über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsarten festgelegt. Straftäter müssen dabei in die Behandlung einwilligen, sie müssen mindestens 25 Jahre alt sein und die Behandlung erfolgt immer zusammen mit einer zielgerichteten Psychotherapie.

Nachtrag vom 23.10.09: Wie erwartet hat der Senat das Gesetz gebilligt – es gab lediglich eine Enthaltung