Schlauer gegen Hunger

Lebensmittellieferungen sind das falsche Rezept, um den Hunger in der Welt zu bekämpfen und sie sind bis zu sechs Mal teurer als Hilfe zur Selbsthilfe, kritisiert der Agrarexperte Pedro A. Sanchez von der Columbia Universität im US-Bundesstaat New York in einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature (Band 458, Seite 148 vom 12. März 2009).

„Die vorherrschenden Methoden funktionieren wie Heftplaster: Es sind schnelle Lösungen, die nichts an den Ursachen des Hungers ändern“, beklagt Sanchez und verweist darauf, dass alleine die USA im Jahr 2006 etwa 1200 Millionen Dollar für die Lieferung von Nahrungsmitteln nach Afrika bezahlt hätten – gegenüber lediglich 60 Millionen für Entwicklungsprogramme in der Landwirtschaft. Sanchez, der Direktor für Tropische Landwirtschaft am Earth Institute der Columbia Universität ist, hat die Kosten der verschiedenen Ansätze ausgerechnet: Um eine Tonne Mais aus den USA zu einem der Verteilungslager in Afrika zu bringen, sind demnach 812 Dollar nötig. In etwa 80 so genannten Milleniumsdörfern – einem Projekt, das Sanchez mit aus der Taufe gehoben hat – bot man Kleinbauern in besonders vom Hunger gefährdeten Gebieten Afrikas dagegen Düngemittel und verbessertes Saatgut an, lehrte ihnen den Umgang mit neuen Techniken und bot ihnen die Möglichkeit, den selbst erzeugten Mais auch zu verkaufen. Dadurch hätten sich die Erträge von 1,7 auf 4,1 Tonnen pro Hektar mehr als verdoppelt, und die Kosten für den Mais hätten letztlich nur bei 135 Dollar pro Tonne gelegen – also nur ein Sechstel dessen, was für die Nahrungsmittellieferungen bezahlt wurde.

Auch wenn man den Mais in einem afrikanischen Land gekauft hätte, wären die Kosten mit 320 Dollar pro Tonne um fast 500 Dollar unter dem Importpreis gelegen, argumentiert Sanchez. „Würde man nur die Hälfte der gegenwärtigen US-Nahrungshilfe in ´schlaue´ Fördermittel umwandeln, könnte man damit schon Millionen von Bauern helfen, sich selbst zu ernähren, ohne dafür mehr Geld ausgeben zu müssen“, so der Agrarexperte.

Aktuelle Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) gehen von 963 Millionen hungernden Menschen aus – das sind 109 Millionen mehr als noch im Jahr 2004. Schuld seien gestiegene Lebensmittel- und Energiekosten, die Finanzkrise und eine veraltete Entwicklungspolitik. Noch immer liegt der Schwerpunkt im Kampf gegen den Hunger auf der Katastrophenhilfe, also auf jenen 10 Prozent aller Hungernden, die Opfer von Kriegen, Dürreperioden und anderen Desastern werden. Dagegen leiden 90 Prozent aller Betroffenen unter chronischem Hunger und Unterernährung, wodurch vor allem Kinder leichter zum Opfer von Durchfallerkrankungen, Malaria und anderen Seuchen werden. Mit dem Welthungerindex (WHI) versucht man, die Größe des Problems in Zahlen zu fassen sowie Fort- und Rückschritte darzustellen. Die jüngsten Zahlen des WHI stammen aus dem Jahr 2006 und zeigen, dass die Situation in 33 Staaten „alarmierend oder extrem alarmierend“ ist, vor allem in Südasien und in Afrika südlich der Sahara.

Immerhin, stellt Sanchez fest, hätten einige große Hilfsorganisationen damit begonnen, ihre Methoden den neuen Erkenntnissen anzupassen, darunter CARE, das Welternährungsprogramm und die Bill & Melinda Gates Stiftung. Lobend erwähnt wird auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-moon für seine Unterstützung von Investitionen in die landwirtschaftliche Entwicklung armer Länder, die spanische Regierung und das EU-Parlament, die dafür jeweils eine Milliarde Euro über die nächsten fünf Jahre bereit stellen wollen.

Buchbesprechung: Wer´s glaubt, wird selig von Dieter Nuhr

Eine ziemlich lustige Abrechnung mit Esos, Ökos, Ignoranten, Dumpfbacken, religösen und anderen Fanatikern, gepaart mit einem ordentlichen Schuss Philosophie, gewürzt mit einigen Anleihen aus der Hirnforschung. Kein Wunder, dass mir dieses Buch gefällt, bestätigt es doch im Wesentlichen mein eigenes Weltbild. Oder sind es nur meine Vorurteile? Und wo ist der Unterschied? Gar nicht so einfach, einfache Antworten zu finden, wenn man sich einmal entschlossen hat, die graue Masse zwischen seinen Ohren zu nutzen.

Worum es geht und was der Leser davon hat, dieses Buch zu lesen, beschreibt Autor Dieter Nuhr folgendermaßen: „Mit diesem Buch haben Sie endlich einen Überblick. Es stellt dar, woran der Mensch glaubt, und warum er so bekloppt ist, den ganzen Krempel nicht gleich als Humbug zu erkennen.“ Von dem vielfach preisgekrönten (aber was heißt das schon?) Komiker und Philosophen Nuhr stammt der Ausspruch: „Wenn man keine Ahnung hat – einfach mal die Fresse halten.“ Diese Botschaft transportiert auch dieses Buch und obwohl das ziemlich arrogant klingt, so darf sich ein Schlaumensch wie Nuhr diesen Ratschlag wohl erlauben, zumal er es wie kaum ein Anderer es versteht, seine Angriffe gegen die grassierende Dummheit ausgesprochen lustig zu verpacken.

Dass Nuhr ein schlauer Mensch ist, hat ihm übrigens gerade der Mensa e.V. bestätigt: Dieser Verband der Hochbegabten verlieh dem Wortkünstler gerade den IQ-Preis 2008. Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich lohnt, über Nuhr nicht nur zu schmunzeln, sondern auch ´mal nachzudenken, findet sich auf dessen Webseite. Sein Gästebuch musste der Arme nämlich schließen, weil – Zitat – „Da versammeln sich Nazis und alte Sozialisten aus der Stalinschule mit Emanzipationsgeschädigten und Verteidigern von Steinigungen und Auspeitschungen.“ Viel Feind, viel Ehr, würde ich sagen, aber ich schweife ab.

Zurück zum Buch, das sich dem Grundproblem widmet, dass Menschen auch den größten Unsinn glauben, weil sie so wenig wissen. Und woher weiß Nuhr, dass er nicht nur glaubt, wenn er behauptet, dass das 3:2 gegen England in Mexiko in der Verlängerung durch Gerd Müller erzielt wurde? Antwort: „Es handelt sich um eine in meinem Gehirn gespeicherte Geschichte, die dadurch zur Wahrheit wird, dass sie sich mit der Erinnerung anderer deckt“. Vielleicht denkt er aber nur, dass er denkt, könnte man da einwenden oder sich anderer philosophischer Spitzfindigkeiten bedienen. Gut so! Zwar weiß ich nicht, ob Nuhr tatsächlich vorsätzlich seine Leser dazu verführt, über den Sinn des Lebens nachzudenken, aber intelligente Menschen werden sich diesen schön verpackten Denkanstößen wohl kaum verweigern wollen. Ein weiterer Pluspunkt des leicht und schnell zu lesenden Büchleins ist Nuhrs Sammlung von originellen Reisefotos. Sie belegen, dass der Mann nicht nur im stillen Kämmerlein vor sich hin gebrütet hat, sondern tatsächlich in die große weite Welt hinaus gezogen ist, um sich eine Meinung zu bilden. „Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen“, hat Goethe dazu gesagt. Mag sein, aber bei Nuhr klingt das einfach eine Prise lustiger: „Nichts bringt die Relativität der menschlichen Geisteskraft so zum Leuchten wie Reisen. Man kommt nach Hause und weiß: Ich bin nicht der einzige Verrückte! Es gibt Milliarden!“