Ein Etikett gegen die globale Erwärmung?

Zutaten, Haltbarkeitsdatum, Nährwerttabelle, Biosiegel oder keins? Man sollte meinen, dass die meisten Verbraucher schon jetzt überfordert sind damit, all die gesetzlich festgelegten Hinweise auf Lebensmittelverpackungen zu lesen und zu verstehen. Trotzdem fordern Wissenschaftler jetzt ein weiteres Etikett, nicht nur für Lebensmittel, sondern am liebsten gleich für alle Erzeugnisse: Ein einheitliches Symbol soll künftig darüber Auskunft geben, wie viel Kohlendioxid bei der Herstellung und während der Lebensdauer von Backsteinen und Bierbüchsen, von Fahr- und Motorrädern, von Socken, Unterhosen und überhaupt allen Produkten freigesetzt wird.

Kohlendioxid – wir erinnern uns – ist jenes Gas, das bei der Verbrennung von Benzin aus Automotoren freigesetzt wird und beim Heizen unserer Wohnungen. Es entweicht unseren Körpern mit jedem Atemzug, es entsteht aber auch als Abfallprodukt wo immer wir aus Rohstoffen neue Gegenstände erzeugen und natürlich auch beim Transport dieser Güter auf unsere Märkte und zum Verbraucher. Von Menschen erzeugtes überschüssiges Kohlendioxid ist nach Meinung einer überwältigenden Mehrheit von Klimaforschern hauptverantwortlich für die globale Erwärmung, das weltweite Ansteigen der Temperaturen inklusive abschmelzenden Gletschern, steigendem Meeresspiegel und immer häufigeren extremen Wetterereignissen wie Dürren, Orkanen und Sturmfluten.

In der April-Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Climate Change haben Michael Vandenbergh, Thomas Dietz und Paul Stern deshalb vorgeschlagen, den Kohlendioxid-Verbrauch für den Einzelnen durch spezielle Etiketten sichtbar zu machen. „Wenn man auf die Verpackung schaut, kann man bislang nicht erkennen, wieviel Kohlendioxid bei der Herstellung des Produktes entstanden ist. Erst wenn man diese Informationen hat, kann man sich beim Einkaufen für den Umweltschutz entscheiden“, glaubt Vandenbergh, der als Professor für Umweltrecht an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee lehrt und gleichzeitig Leiter des dortigen Forschungsnetzwerks zum Klimawandel ist.

Ein weiterer Vorteil von weltweit einheitlichen und zertifizierten Etiketten zum Kohlendioxid-Verbrauch wäre der Anreiz für das produzierende Gewerbe. Die Firmen würden nämlich einerseits dann untereinander in einen Wettbewerb eintreten, um den stetig wachsenden Anteil umweltbewusster Verbraucher für ihre Produkte zu gewinnen. Außerdem würde das Etikett die Firmen zwingen, ihre Produktionsabläufe genauer unter die Lupe zu nehmen. Studien hätten gezeigt, dass dann oftmals nicht nur umweltfreundlichere Herstellungsverfahren gefunden werden, sondern dass die Firmen dabei auch noch Geld sparen.

Wie solch ein Kohlendioxid-Etikett aussehen könnte, hat mit Unterstützung der Regierung in Großbritannien bereits der Carbon Trust gezeigt, eine gemeinnützige Organisation mit dem Ziel, die Einkünfte von Firmen zu erhöhen durch Einsparungen bei den Kohlenstoff-Emissionen, geringeren Energieverbrauch und die Vermarktung von Techniken zur Einsparung von Kohlendioxid. „Kleine Veränderungen durch die Verbraucher werden bei der Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes eine große Rolle spielen“, so Vandenbergh.

Quellen:

Empfehlung:

Baden-Württemberg wird grün-rot

Es ist natürlich das beherrschende Thema in den Medien: Nach 58 Jahren CDU bekommt Baden-Württemberg nun eine grün-rote Regierung. Ich bin gespannt, ob die beiden sympathischen Parteivorsitzenden Winfried Kretschmann und Nils Schmid in ihren Kadern genug Fachleute finden werden, die in der Lage sind, unser Land ordentlich zu regieren. Denn immerhin ist Baden-Württemberg in vielen Punkten Spitze und die Befürchtung steht im Raum, dass wir diese Spitzenpositionen bei Wirtschaftsleistung, niedriger Arbeitslosigkeit und Bildung verlieren könnten, wenn nun Ideologen sich austoben dürften, die z.B. nicht einmal verstehen, wie Gentechnik oder Atomkraft funktioniert und die deshalb „genfreie“ Tomaten fordern oder glauben, Solarstrom und Windkraft seien kostenlos.

Winfried Kretschmann wird neuer Ministerpräsident von Baden-Württemberg - Dank Erdbeben, Wutbürgern und Angstbürgern (Foto: GRÜNE Baden-Württemberg)

Zunächst einmal bleibt festzustellen, dass bei einer vergleichsweise hohen Wahlbeteiligung ein klares Signal gegeben wurde, dass die Bürger eine andere Art von Politik wollen – glaubwürdiger soll sie sein und nicht länger eine Regierung über die Köpfe hinweg. Dass diese Veränderung ausschließlich einen Erdbeben in Japan zu verdanken ist und von „Wutbürgern und Angstbürgern“ eingeleitet wurde, wie Helmut Markwort richtig erkannte, mag unsereins irritieren. Trotzdem sollten wir dankbar sein für diesen kleinen Riss im verkrusteten politischen System. Winfried Kretschmann und Nils Schmid als sein voraussichtlicher Koalitionspartner haben einen Vertrauensvorschuss bekommen und dürfen nun zeigen, dass sie es besser können als Mappus & Co. Es ist ein Experiment, das wir hier mit wachen Augen verfolgen werden und an dessen Anfang wir nicht nur den Wahlsiegern gratulieren wollen, sondern auch dem abgewählten Ministerpräsidenten Stefan Mappus, der seine Niederlage anerkannte und seinen Nachfolgern Alles Gute wünschte „aus Liebe zu Baden-Württemberg“.

Wozu wählen gehen?

Seit mehr als 20 Jahren bin ich überzeugter Nichtwähler. Zerreiße die Postkarte mit der Wahlbenachrichtigung wütend, sobald ich sie aus dem Briefkasten gefischt habe. Mein Argument lautet, dass ich mit meiner Stimme nichts bewirken kann. Ob Euro-Rettungsschirm oder Wiedervereinigung, Libyen oder Rechtschreibreform, Atomausstieg oder Agarsubventionen: Ich kann mich an keine einzige wichtige Sachfrage erinnern, zu der das deutsche Volk nach seiner Meinung gefragt wurde. Und in den allermeisten Fällen zeigen die Umfragen, dass die überwiegende Mehrheit genau das Gegenteil von dem wollte, was unsere Staatslenker tun. Etwas schriller formuliert lautet daher mein Credo: wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten.

Das Argument, dass wer nicht wählen geht, seine Stimme verschenkt, will ich nicht gelten lassen. Im Gegenteil sorgt jeder Wähler dafür, dass alles so bleibt wie es ist. So argumentierte auch Gabor Steingart in seinem Buch Die Machtfrage: Ansichten eines Nichtwählers. Steingart geißelt die Art, wie politische Parteien sich unseren Staat unter den Nagel gerissen haben. Das Grundgesetz sagt zur Rolle der Parteien, sie sollten „an der politischen Willensbildung mitwirken“. Inzwischen braucht man einen Parteiausweis, wenn man bei ARD oder ZDF Karriere machen will. Eine Gesinnungsprüfung muss auch jeder absolvieren, der Chef der Müllabfuhr in einer mittelgroßen Stadt sein will. Selbst ehemals unabhängige wissenschaftliche Berater werden zunehmend durch Parteibonzen ersetzt.

Ich will aber keine Parteien wählen, sondern Menschen. Und ich will meine Stimme nicht abgeben, sondern mitreden. Auch nach der Wahl. Ich will eine direkte Demokratie, in der ich über Sachfragen abstimmen kann. Ich will mich wehren gegen die Verbonzung unseres Landes. Und so stehe ich erneut vor dem Dilemma. Heute sind nämlich Landtagswahlen in Baden-Württemberg, und während ich diese Zeilen schreibe bleiben mir noch eine Stunde und 22 Minuten, mich zu entscheiden. Total verweigern oder das kleinere Übel wählen. Wieder einmal hatte ich die Diskussionen im Freundeskreis. Wieder einmal habe ich festgestellt, dass es keine Partei gibt, die meine Interessen vertritt. Nicht einmal zu 50 Prozent.

Und dann habe ich mir noch einmal die Kandidaten angesehen. Deren Profile verglichen und mich gefragt, wofür die einzelnen Kandidaten denn stehen. Welche Entscheidungen sie in der Vergangenheit gefällt haben, wie glaubwürdig sie sind usw. Dann die Entscheidung. Ich werde über meinen Schatten springen und denjenigen Kandidaten unterstützen, den ich für den glaubhaftesten halte. Denjenigen, der von seiner Partei am wenigsten abhängig zu sein scheint. Meine Wahl ist Winfried Kretschmann. Wunder erwarte ich von ihm keine, ein wenig mehr Ehrlichkeit in der Politik schon. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Noch 45 Minuten. Ich geh´ jetzt wählen…

dumm, beratungsresistent, undemokratisch, asozial

Vornehm ausgedrückt haben sich die wissenschaftlichen Berater des Finanzministers Schäuble. Laut einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) sprechen sie in einem Brief an ihren Arbeitgeber von einer „Fehlsteuerung in der Finanzpolitik“ angesichts des neuen Rettungspaketes für den Euro. Das Abkommen mit Bürgschaften von insgesamt 700 Milliarden Euro könnte die Entwicklung des Euro-Raumes beeinträchtigen und Deutschland überfordern – sagen die Leute die es wissen müssen.

Schäubles Beirat kritisiert das Euro-Rettungspaket heißt der überaus lesenswerte Beitrag, vermutlich wird morgen auch im Spiegel darüber zu lesen sein.

Für mich war der Brief der Top-Ökonomen und Schäubles unverschämte Antwort mal wieder Anlass für einen Kommentar, den ich auf den Seiten der FAZ hinterlassen habe:

  • Deutschlands führende Ökonomen widersprechen öffentlich dem Finanzminister.
  • Deutschlands führende Banker verweigern die Mitwirkung am Euro-Rettungsschirm.
  • Deutschlands letzter Präsident trat zurück, vermutlich aus dem gleichen Grund.
  • Das deutsche Volk hat den Euro nie gewollt, wurde nie dazu befragt und muss trotzdem seit zehn Jahren dessen Lasten tragen.
  • Schlussfolgerung: Unsere Regierung ist dumm, beratungsresistent, undemokratisch und asozial.

Innerhalb einer halben Stunde habe ich dazu von 50 Lesern 100 Prozent Zustimmung bekommen. Da ist einerseits tröstlich, denn es signalisiert mir, dass die Deutschen das Denken nicht verlernt haben. Andererseits ist es um so empörender festzustellen, mit welcher Arroganz Schäuble die Analyse seines Beirats zur Seite wischt. Was kommt als nächstes? Die Entlassung des Beirates? Oder wird man einfach weiterwurschteln wie bisher und damit noch mehr Steuergelder verplempern für eine hochkarätige wissenschaftliche Beratung, die ungehört verhallt?

Und wer jetzt immer noch glaubt, der ganze Streit um den Euro ginge ihn nichts an, dem möchte ich ganz dringend folgendes Buch ans Herz legen: Schulden ohne Sühne: Warum der Absturz der Staatsfinanzen uns alle trifft. Geschrieben hat es der derzeitige Vorsitzende von Schäubles wissenschaftlichem Beirat, Kai Konrad (zusammen mit Holger Zschäpitz, dem leitenden Wirtschafts- und Finanzredakteur der Welt am Sonntag). Dort kann jeder nachlesen, warum die Billionenfalle, in die Kohl, Merkel & Co. uns manövriert haben, uns alle bedroht. Wie weitsichtig das Buch ist, zeigt sich unter anderem daran, dass es bereits vor der Griechenland-Krise geschrieben wurde, und dass die Ereignisse seitdem ziemlich genau so verlaufen sind, wie die schlimmsten Befürchtungen der Autoren. Hier kann sich jeder schlau machen, der bislang nicht so richtig verstanden hat, welche Rolle beispielsweise die Zinsen auf Staatsanleihen spielen, was Credit Default Swaps eigentlich sind und was die No Bail Out-Klausel besagte, wie oft ganze Staaten sich schon per Währungsreform ihrer Schulden entledigt haben und wie durch mangelnde Ausgabendisziplin die Chancen und der Wohlstand der nächsten Generationen aufs Spiel gesetzt werden.

Dann braucht es eigentlich nur eine Alternative bei der nächsten Wahl. Denn jenen 621 so genannten Volksvertretern, die bislang dem unseligen Treiben tatenlos zugeschaut haben, sollten wir unsere Stimme beim nächsten Mal ohne Ausnahme verweigern.

Das ABC des Lebens

Ein Grundgedanke dieser Webseite ist es, dass man mit dem besser-machen bei sich selbst anfangen sollte. Natürlich sind darauf auch andere schon gekommen. Sonst gäbe es ja nicht zahlreiche Redewendungen mit Empfehlungen wie: „sich an die eigene Nase fassen“ oder „vor der eigenen Haustüre fegen“. Und wer gerne die Bibel zitiert, wird fündig bei Matthäus, Kapitel 7: „Du Heuchler, zieh am ersten den Balken aus deinem Auge; darnach siehe zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst!“

Etwas lockerer kommt das „ABC des Lebens“ daher, beziehungsweise „The ABC´s of Life“:

Wir haben es kürzlich beim Urlaub in Form eines kleinen Steintäfelchens entdeckt, gekauft, nach Hause geflogen, beim Auspacken fallen lassen, wieder zusammen geklebt und schließlich auf den Schreibtisch gestellt. Da nicht jeder des Englischen mächtig ist, haben wir uns hier ´mal an einer Übersetzung versucht:

  • Accept Differences – Akzeptiere Unterschiede
  • Be Kind – Sei Freundlich
  • Count Your Blessing – Zähle, was Dir gegeben wurde
  • Dream – Träume
  • Express Thanks – Bedanke Dich
  • Forgive – Verzeihe
  • Give Freely – Sei großzügig
  • Harm No One – Verletze Niemanden
  • Imagine More – Stelle Dir mehr vor / Glaube an mehr
  • Jettison Anger – Halte Ärger im Zaum
  • Keep Confidences – Bewahre Geheimnisse
  • Love Truly – Liebe ehrlich / Liebe von ganzem Herzen
  • Master Something – Beherrsche etwas / Beherrsche eine Kunst
  • Nurture Hope – Nähre die Hoffnung / Mache Hoffnung
  • Open Your Mind – Öffne Deinen Geist / Sei offen
  • Pack Lightly – Reise mit leichtem Gepäck
  • Quell Rumors – Zerstreue Gerüchte
  • Reciprocate – Zeige Dich erkenntlich / Erwidere Gefälligkeiten
  • Seek Wisdom – Strebe nach Weisheit
  • Touch Hearts – Berühre die Herzen
  • Understand – Verstehe!
  • Value Truth – Schätze die Wahrheit
  • Win Graciously – Gewinne mit Anstand
  • Xeriscape – Lege einen Garten an (der wenig Wasser braucht)
  • Yearn for Peace – Sehne Dich nach Frieden
  • Zealously Support A Worthy Cause – Unterstütze mit Begeisterung eine Sache, die es wert ist.

Schade nur, dass die „ABC´s of Live“ nach der Übersetzung ins Deutsche kein ABC mehr sind. Wir haben heftig nach einer Entsprechung in unserer Sprache gegoogelt und fanden Film, Bücher und Seminare mit diesem Titel, aber leider nichts, was diesem schönen englischsprachigen Täfelchen entsprechen würde. Vielleicht kann uns ja jemand aushelfen und hier eine eigene Version einstellen? Wir sind schon sehr gespannt darauf, was dabei heraus kommt – und ganz besonders, wie Ihr die Buchstaben Q, X und Y belegen wollt 😉

P.S.: Wer so wie wir die englische Version zu schätzen weiß, wird unser Täfelchen vermutlich vergeblich im Internet suchen. Wir verraten Euch jedoch gerne, dass der Hersteller House Parts, Inc. heißt und im amerikanischen Atlanta sitzt. Klickt Euch zu den „Catalogs“ und von dort zu „Home, Garden & Decorative Accesories“ durch und ihr seht eine Auswahl bemerkenswerter ABC-Produkte, darunter auch unser Täfelchen. House Inc. scheint aber nur an Händler zu verkaufen – ist müsstet also auch noch einen finden, der für Euch die Bestellung übernimmt 🙁

Betreff: Tunesien, Ägypten & Co.

Frage: Welcher unserer Politiker hätte wohl den Mut, sein Leben aufs Spiel zu setzen, um für Demokratie und Menschenrechte zu kämpfen? Können Sie sich unseren Außenminister Guido Westerwelle oder unseren Bundespräsidenten Christian Wulff vorstellen, wie die beiden mit handgemalten Plakaten in Peking auf dem Platz des Himmlischen Friedens stehen, um sich den Panzern der Obrigkeit in den Weg zu stellen? Wie sie umgeben von den Schlägertrupps eines brutalen und korrupten Regimes die Nacht auf dem Tahrir-Platz in Kairo verbringen, bewaffnet lediglich mit einem Handy, von dem aus sie unerschrocken den Fernsehsendern in aller Welt berichten?

Oder unsere Kanzlerin: Die war, vermeldet lapidar die Wikipedia, vor der Wende weder in der zivilen noch in der kirchlichen Opposition aktiv. Am Tag als die Mauer fiel, hat Angela Merkel nicht einmal die Nachrichten verfolgt. Statt dessen saß sie mit einer Freundin in der Sauna, berichtet der Politjournalist Gabor Steingart in „Die Machtfrage„.

Nun könnte man ja argumentieren, dass dies vielleicht sogar ganz gut ist, denn um einen Staat zu lenken braucht es einen kühlen Kopf und eine gehörige Portion Sachverstand. Und dass diejenigen, die nach Jahrzehnten der Unterdrückung im Laufe einer Revolution an die Macht kommen, auch nicht die idealen Staatslenker wären. Womöglich würden sie erst einmal alte Rechnungen begleichen wollen. Ein paar Köpfe rollen lassen. Oder sich zumindest jene Schätze unter den Nagel reißen, die das alte Regime nicht rechtzeitig außer Landes gebracht hat. Das wollen wir dann auch wieder nicht.

Mäßigung ist also angebracht angesichts der Revolutionen in Tunesien und Ägypten, argumentierte Freund G. bei unserer gestrigen Stammtischrunde. Und außerdem seien die meisten dort sowieso nicht reif genug für die Demokratie. Nicht einmal bei uns. „Und am Ende wählen sie dann die Muslimbrüderschaft und dann haben wir den Scheiß.“

Um meine rhetorische Eingangsfrage zu beantworten: Niemand kann sich unsere höchsten Repräsentanten als Freiheitskämpfer vorstellen. Aber ein paar deutliche Worte an Herrn Mubarak – ist das zu viel verlangt? Warum schweigt die EU? Warum gibt es keine Unterstützung für die Vorkämpfer der Demokratie in Tunesien und Ägypten, in Jordanien, Jemen und Algerien? Was tun Merkel, Obama & Co eigentlich, um den Menschenrechten in diesen Ländern zum Durchbruch zu verhelfen? Und was haben unsere Staatsoberhäupter, die Chefs der ach so freien westlichen Welt denn dafür in den vergangenen Jahrzehnten getan?

Those who deny freedom to others deserve it not for themselves.

"Wer anderen die Freiheit verwehrt, hat sie selbst nicht verdient", sprach Abraham Lincoln

Das ist eines meiner Lieblingszitate. Es stammt von Abraham Lincoln, dem 16. Präsidenten der USA. Über seine Motive mag man streiten, aber erst hat er die geteilte Nation vereinigt und dann die Sklaverei abgeschafft. Das macht ihn nicht nur sympathisch, sondern auch glaubwürdig. Ich wünschte mir, die USA, die EU und auch unsere politische Kaste würde sich an Lincolns Weisheit erinnern. Ich wünschte mir, unsere Repräsentanten würden endlich damit aufhören, Diktatoren in aller Welt in den Hintern zu kriechen. Und ich schäme mich für mein Land, solange auch bei uns Wirtschaftsinteressen immer wieder über Menschenrechte gestellt werden.

Dass viele Jugendliche im arabischen Raum uns für Heuchler halten, die westliche Lebensweise verachten und ihr Heil im radikalen Islam suchen hat vielleicht auch damit zu tun, wie unserer „Realpolitiker“ deren Unterdrücker seit Jahrzehnten hofieren – mit Staatsempfängen und Gipfeltreffen, durch Waffenlieferungen und Wirtschaftsabkommen, vor allem aber durch konsequentes Wegschauen angesichts Unterdrückung und Korruption, Willkür und Folter.

Jetzt gibt es eine historische Chance, es besser zu machen. Statt mit Armeen westliche Verhältnisse erzwingen zu wollen, wie in Afghanistan und im Irak, könnte man es zur Abwechslung´mal mit friedlichen Mitteln versuchen. Wie wär´s zum Beispiel mit ein paar Milliarden Euro Starthilfe für junge Demokratien? Gekoppelt natürlich an die Bedingung freier Wahlen unter neutraler Beobachtung. Ich wette, dafür gäbe es mehr Verständnis als für den Euro-Rettungsschirm. Statt Waffenlieferungen könnte man den Austausch von Schülern und Studenten fördern. Technologien zur Nutzung der Solarkraft gemeinsam weiter entwickeln als Alternative zum Bau neuer Atomkraftwerke. Die Märkte öffnen für Agarprodukte, statt mit EU-Subventionen die Ungleichheiten zu zementieren…

War´n nur so ein paar Gedanken. Bisschen ´rumgesponnen. Bin halt ein Dummerle und verstehe nicht, warum die Unterstützung von Diktatoren alternativlos ist.

Nachtrag vom 18.2.:

Schön, dass die Ägypter ihre Revolution alleine hin gekriegt haben. Peinlich, die markigen Worte Merkels und Westerwelles nach dem Fall des Regimes. Mubaraks Konten in der EU sind immer noch nicht gesperrt (die Schweizer haben das schon lange getan). Und warum wir jetzt keine Flüchtlinge einladen sollten, erklärt mit ganz einfachen Worten wieder einmal die Frankfurter Allgemeine Zeitung. War übrigens auch Konsens bei unserer gestrigen Politrunde.

Denkzettel für Frau Merkel

So so, der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn hält uns also für arrogant und glaubt, dass Frau Merkel sich nicht länger zieren sollte in unser aller Namen eine Bürgschaft in unbegrenzter Höhe auszustellen für Leute, die ich nicht einmal kenne. „Ich kann Deutschland und Frankreich nur warnen vor einem Machtanspruch, der eine gewisse Überheblichkeit und Arroganz ausdrückt, die das europäische Grundprinzip der Solidarität missachten“ hat er gesagt.

Dann war da noch diese kleine Notiz in der Tageszeitung, dass die Regierung ja eigentlich ganz gerne 30 Millionen extra bereits stellen wollte, damit Hebammen „Problemfamilien“ künftig etwas häufiger betreuen können, dass aber leider Gottes dafür wohl kein Geld mehr übrig ist. UND DA WÄRE MIR FAST DER KRAGEN GEPLATZT.

Ich glaube zwar eher an den Weihnachtsmann als daran, dass „unsere“ Politiker sich dafür interessieren, was das Volk will. Aber in meiner Wut habe ich dann doch noch diesen Hinweis auf der Webseite der Kanzlerin hinterlassen:

Sehr geehrte Frau Merkel,

Ihre Zugeständnisse gegenüber den so genannten EU-Partnern in den vergangenen Monaten habe ich mit Entsetzen zur Kenntnis genommen. In meinem beträchtlichen Freundes- und Bekanntenkreis kenne ich niemanden, der bereit wäre, länger zu arbeiten, weniger zu verdienen, höhere Zinsen und mehr Steuern zu zahlen, damit ICH früher in Rente gehen, Urlaub machen oder mir ein Haus kaufen kann, ohne über ein entsprechendes Einkommen zu verfügen. Ihre Erklärungsversuche, warum dies auf EU-Ebene anders sein muss (Sachzwänge, Dominoeffekt, Solidarität, Friedensicherung usw.) überzeugen mich nicht im geringsten und es ist mir absolut schleierhaft, wie man beim Vergleich mit der wirtschaftlichen Entwicklung von Nicht-Euro-Ländern wie der Schweiz, Schweden, Norwegen und Dänemark diese Zwangseinheitswährung als Erfolgsgeschichte darstellen kann.

Nochmals zur Klarstellung: Ich will weder die Schulden noch den unverdienten Luxus anderer Länder mitfinanzieren müssen. Mein Vorrat an Solidarität ist längst aufgebracht und wenn Sie diese Politik fortsetzen, sehe ich nur einen Ausweg: Ich werde mich Hals über Kopf verschulden um nach Kräften gegen den moribunden Euro zu spekulieren. Geht die Rechnung auf, verabschiede ich mich mit meinen Profiten in die Schweiz. Falls nicht lasse ich mich davon überraschen, wer der sprichwörtliche letzte Depp sein wird, der die Rechnung bezahlt.

Nein, ich glaube nicht, dass Merkel meinen Brief lesen wird. Aber wenigstens bin ich aufgestanden und habe wieder einmal laut dagegen protestiert, wie diese Regierung unser Land an die Wand fährt.

Ceterum censeo: Der Euro muss weg!

Das geheime Leben der Plastiktüten

Mein Kollege Martin Schneider hat mich auf dieses geniale Video aufmerksam gemacht. Es zeigt niemals zuvor gesehene Einzelheiten aus dem geheimen Leben der Plastiktüten. Selbst für Naturfreunde wie mich ist es eine wahre Freude, wie hier eine bestimmte Masche auf die Schippe genommen wird, der man im Fernsehen leider allzu oft begegnet.

„Mockumentary“ heißt diese Art der Persiflage im englischen und sie dient in diesem Fall gleich mehreren guten Zwecken:

  • Wer öfter lacht, lebt länger (oder umgekehrt? Egal jetzt!)
  • Umweltschutz ist zwar politisch korrekt, ich finde ihn aber trotzdem gut. Und schließlich
  • kommt mir dieser Lückenfüller gerade recht, denn vor lauter Arbeit kam ich fast zwei Monate nicht dazu, meinen Blog zu aktualisieren. Wie peinlich!

Sieg für den Parteistaat, Niederlage für die Demokratie

Ja, auch ich will meinen Senf dazu geben zur gestrigen Wahl des Bundespräsidenten. Ich bin enttäuscht und wütend, dass wieder einmal die Abgeordneten des Bundestages und zusätzlich die anderen Mitglieder der Bundesversammlung sich einen Dreck darum geschert haben, was das Volk will. Die Bundesbürger nämlich hätten für Joachim Gauck gestimmt, wie zahlreichen Umfragen in den vergangenen Tagen und Wochen zu entnehmen war.

Auch wenn manch ein Kommentator das anders sehen mag (wie z.B. der geschätzte Günther Nonnenmacher in seinem heutigen Beitrag für die FAZ), wurde m.E. sehr wohl Druck auf die Repräsentanten ausgeübt und es wurde mit wenigen löblichen Ausnahmen strikt entlang der Parteilinien abgestimmt. Auch das ist das Gegenteil dessen, was das Volk will. So hatten sich zuletzt bei einer Umfrage der ARD 62 Prozent für die Direktwahl des obersten Repräsentanten der Republik ausgesprochen.

Leider kam wieder einmal alles anders, und das bisschen Kontrollfunktion, das dem Bundespräsidenten qua Verfassung zusteht, wird Christian Wulff wohl kaum ausnutzen wollen. Er wird sich daran erinnern, wer ihn in dieses Amt gehievt hat. Auch wenn man sich auf die Position zurückzieht, Wulff wäre ebenso „untadelig“ wie Gauck, ging es Angela Merkel doch einzig und alleine darum, jemanden zu installieren, der niemals auf die Idee käme, seine Unterschrift zu verweigern oder gar jenes Parteiensystem in Frage zu stellen, dem er seine Karriere inklusive der Position eines Ersatzkönigs verdankt.

Dass ein Sigmar Gabriel als Kanzler anders gehandelt hätte, bezweifle ich und das Verhalten der Linkspartei war einfach nur schamlos. Ehrlicher wäre es gewesen, den Bundespräsidenten gleich zum Grüßaugust herabzustufen, der direkt dem Kanzleramt unterstellt ist. Noch besser fände ich es, angesichts des Trauerspiels der vergangenen Wochen, das Amt des Bundespräsidenten ersatzlos zu streichen und dessen Etat von derzeit 27,63 Millionen Euro einzusparen. Die Bundesversammlung könnte man dann ebenfalls auflösen, ein Schaden wäre das nicht.

Und der Ex-Bundespräsident Horst Köhler? Wird der sich nun herablassen, dem Volk den wahren Grund für seinen Rücktritt zu verraten? Ach nein, soviel Offenheit dürfen wir wohl kaum erwarten von jemandem, der für seine Verdienste den Rest seines Lebens einen jährlichen „Ehrensold“ von runden 200000 Euro aus der Staatskasse erhält.